Stilkunde – Barock

Kunsthandel Helmrich, Stilkunde, verfasst am 29.11.2010

Der oder auch das Barock ist eine Strömung der europäischen Architektur und Kunst, die von etwa 1575 bis 1770 währte. Dem Barock voraus ging die kulturgeschichtliche Epoche der Renaissance, ihm folgte der Klassizismus. In der Kunstgeschichte wird zwischen Frühbarock (ca. 1600–1650), Hochbarock (ca. 1650–1720) und Spätbarock oder Rokoko (ca. 1720–1770) unterschieden. Als Kunstform des Absolutismus und der Gegenreformation ist der Barock durch üppige Prachtentfaltung gekennzeichnet. Von Italien ausgehend, verbreitete er sich zunächst in den katholischen Ländern Europas, bevor er sich in abgewandelter Form auch in protestantischen Gegenden durchsetzte.

Der Begriff „Barock“ entstammt der Portugiesischen Sprache, in der unregelmäßig geformte Perlen als „barocco“, d. h. „schiefrund“ oder „merkwürdig“ bezeichnet wurden. Dieser Begriff wurde im französischen Raum zuerst abwertend für Kunstformen gebraucht, die nicht dem herrschenden Geschmack entsprachen. Erst seit 1855 wurde er von Jacob Burckhardt im Cicerone mit positiver Bedeutung benutzt und Ende der 1880er Jahre als wissenschaftliche Zeitbestimmung in den Sprachgebrauch eingeführt.

Ihren stärksten Ausdruck fand die Barockkunst in der Architektur. Alle strengen Ordnungen der Renaissance werden aufgelöst; schwingende, konkave und konvexe Formen, Kuppeln, Säulengruppen, Giebel und Fensterbekrönungen mit reichem ornamentalem Schmuck rufen in dem Betrachter den Eindruck von Kraft und Bewegung hervor und bewirken eine Steigerung aller Wirkungen. Dabei ordnen sich die Einzelformen dem Gesamtkunstwerk unter, Lichteffekte werden genutzt, und auch Malerei, Skulptur und Plastik sind in den architektonischen Rahmeneinbezogen.

In Anlehnung an die Werke der Spätrenaissance und des Manierismus entwickelte sich der neue Baustil in Rom, wo Giacomo Barozzi da Vignola (1507-1573) mit seiner Kirche Il Gesù, einem tonnengewölbten Längsbau, auch schon den Haupttypus der Barockkirche schuf. Unter wesentlicher Beteiligung der Architekten Gian Lorenzo Bernini (1598-1680) und Francesco Borromini (1599-1667) entstanden im Zeitalter des Barocks allein in Rom mehr als 50 weitere Kirchen, wurden Plätze und Brunnen angelegt und das ganze Stadtbild umgestaltet. Großartige Verwirklichung des Barockideals wurde nach ihrer Vollendung die Peterskirche. Vornehmlich in Turin wirkte Guarino Guarini (1624-1683), in Venedig Baldassare Longhena (1598-1682), der Schöpfer der Kirche Santa Maria della Salute. In Frankreich erhielt der Barockstil eine ruhigere, dem französischen Wesen entsprechende Prägung. Ebenso zeigt auch die englische und niederländische Baukunst der Zeit strengere Formen. In Deutschland begann nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges eine rege Bautätigkeit. Dabei entstanden (vor allem im Süden Deutschlands) prunkvolle, barocke Kirchenbauten, Schlösser und Adelshäuser in vielen Städten. In München entstand als erste im Stil des italienischen Spätbarock erbaute Kirche nördlich der Alpen die Theatinerkirche St. Kajetan. Berühmte barocke Kloster- und Wallfahrtskirchen sind ferner Kloster Banz und die Basilika Vierzehnheiligen, die Wallfahrtskirche Birnau, Kloster Ottobeuren, Kloster Disentis und die Wieskirche. Andreas Schlüter (1660-1714) schuf in Berlin das Berliner Stadtschloss und das Zeughaus Berlin, Matthäus Daniel Pöppelmann (1662-1736) den Zwinger in Dresden. Im Thüringer Raum, vor allem in Weimar, wurde Gottfried Heinrich Krohne (1703–1756) im Barock und Spätbarock mit Bauten wie dem Eisenacher Stadtschloss tonangebend. In Süddeutschland wirkten die großen Baumeister Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656-1723), Johann Dientzenhofer (1665-1726) und seine Brüder, Johann Balthasar Neumann (1687-1753) und Dominikus Zimmermann (1685-1766).

Die stilistische Entwicklung

Die Kunst des Barocks entwickelte sich von Italien ausgehend über ganz Europa und wurde bis in die Kolonien der Neuen Welt hineingetragen. Ein Studium in Italien war für fast jeden großen Baumeister dieser Epoche die Regel. Die Architekten des Barock reisten oft quer durch Europa und brachten dadurch ihre Ideen und Anregungen mit. So führten seine Aufträge Filippo Juvarra von Mailand nach Madrid und Andreas Schlüter reiste nach Italien und arbeitete anschließend in Preußen und in Russland.

Anders als die Renaissance, die in Nordeuropa mit zum Teil völlig anderen Stilmitteln als in Italien interpretiert wurde (vgl. zum Beispiel Nordische Renaissance), wurde nun ein dem Vorbild relativ ähnlicher Stil entwickelt, aber künstlerisch immer wieder neu abgewandelt. Dabei wurden in unterschiedlichen Regionen Europas ganz eigene stilistische Richtungen des Barock zum Ausdruck gebracht. Diese können annähernd, aber nicht umfassend, in einen katholisch geprägten südeuropäischen Barock und einen protestantisch geprägten nordeuropäischen Barock separiert werden.

Frankreich nahm als erstes Land die neuen Strömungen auf, doch wurde der schwungvolle „römische“ Stil hier strenger umgesetzt. Auch England übernahm die neue Kunstrichtung, der Übergang vom Palladianismus zum Barock und dem anschließenden Klassizismus geschah hier allerdings fließend und weitgehend ohne die verspielten Bauformen, die in den habsburgischen Ländern typisch wurden. Die in Frankreich und England vorherrschende ernste Ausprägung des Stils wird daher als klassizistischer Barock bezeichnet. Als Beispiele können die Ostfassade des Louvres, der Invalidendom in Paris oder die Londoner St. Pauls-Kathedrale genannt werden.

In Teilen Spaniens und seiner Kolonien folgte auf den nüchternen Renaissancestil des Desornamentado ein überladener, wuchernder Barock, den man als Churriguerismus bezeichnet und der vor allem im Sakralbau Verwendung fand. Als bekanntestes Beispiel findet sich hier die Fassade der Kathedrale von Santiago de Compostela. Bauten dieses Stils wurden auch in Lateinamerika errichtet.

Im katholischen Süden Deutschlands und in den habsburgisch regierten Ländern wie Österreich oder Böhmen entfaltete sich das Barock zu einer heiteren, bewegten Variante, wie sie beispielhaft am Wiener Schloss Belvedere oder am Stift Melk zu finden sind. Eine ähnliche Richtung nahm das Barock in Russland, wo kräftige Farbakzentuierungen und üppiger Schmuck vorherrschten, wie am Petersburger Winterpalast.

Im protestantischen Nordeuropa wurde dagegen ein eher nüchterner Weg eingeschlagen, der sich beispielhaft am Stockholmer Schloss darstellt. Dass die Kunst des Barock vor allem auch ein Ausdrucksmittel zur Selbstverherrlichung der absolutistischen Fürsten war, wird durch die Dresdner Variante dieses Stils deutlich.

Skulptur und Plastik gehören im Barock wesentlich zur Ausstattung eines Bauwerks oder einer Parkanlage – als Fortsetzung der Architektur mit anderen Mitteln oder, soweit es frei stehende Figuren sind, indem sie durch Gebärdensprache und Bewegungstendenzen in den Raum einbezogen sind. Der Bewegungsreichtum und das vorausberechnete Spiel von Licht und Schatten geben den Bildwerken ihre verblüffende Lebendigkeit und Ausdrucksstärke. In Italien war es wiederum Bernini, der die Barockbildnerei zu höchsten Entfaltung brachte. Wesentliche Beiträge in Deutschland leisteten Schlüter, Balthasar Permoser (1651-1732), Ignaz Günther (1725-1775) und Egid Quirin Asam (1692-1750), in Österreich Georg Raphael Donner (1693-1741).

Da schon Baukunst und Bildnerei des Barocks durch malerische Tendenzen mitbestimmt wurden, ist es klar, dass die Malerei selbst einen wichtigen Platz in der Kunst des Barocks einnimmt. In Wand- und Deckengemälden wurde auch sie in das Gesamtkunstwerk einbezogen. Durch perspektivische Verkürzungen erreichte man dabei außerordentliche Tiefenwirkungen und weitete auf diese Weise die Räume illusionistisch aus. Ein bewegungsreicher Figurenstil, kontraststarke Farben und die Betonung von Licht und Schatten ließen eine Malerei entstehen, die bei allem Naturalismus ihre Verwandtschaft mit prunkvollen Theaterdekorationen nicht verleugnen kann. Hauptthemen waren die Darstellung des Göttlichen und des Profanen (Weltlichen), Historienbilder und die Sagen der Antike, alle vorgetragen mit echter Naivität und Lebendigkeit. Auch in der Malerei des Barocks gingen die Anregungen von Italien aus. Die Gebrüder Agostino (1557-1602) und Annibale Carracci (1560-1609), Michelangelo Merisi da Caravaggio (1571-1610), Guido Reni (1575-1642) und der auch in Deutschland wirkende Giovanni Battista Tiepolo (1696-1770) waren dort die Hauptmeister. In Spanien wirkten El Greco (1541-1614), Bartolomé Esteban Murillo (1618-1682) und Diego Rodríguez de Silva y Velázquez (1599-1660), in Frankreich Nicolas Poussin (1594-1665) und Claude Lorrain (1600-1682), in Deutschland Adam Elsheimer (1578-1610), Cosmas Damian Asam (1686-1739), Johannes Zick (1702-1762) und dessen Sohn Januarius (1730-1797) und in Tirol Stephan Kessler (1622–1700). Eine bedeutsame Sonderstellung innerhalb der Barockmalerei nimmt die niederländische Malerei ein, deren wichtigste Vertreter im flämischen Raum Peter Paul Rubens (1577-1640), in Holland Rembrandt (1606-1669) und Vermeer (1632-1675

Während des Barocks erlebten die Naturwissenschaften einen starken Aufschwung, während sich der technologische Wandel nur langsam vollzieht. Zu Beginn der Epoche werden die in der Renaissance gewonnenen technischen Kenntnisse präzisiert und verbessert. Nach der Ausschöpfung dieser Möglichkeit setzt unter Zuhilfenahme neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse auch in der technischen Entwicklung eine Innovationswelle ein. Im Zusammenhang mit der politischen Situation bilden Festungsbau, Waffentechnik und Schiffbau einen Schwerpunkt des technologischen Wandels.

In der Zeit des Barocks wurden in vielen Gebieten der Naturwissenschaften Forschungen betrieben, wie z.B. in der Medizin, der Chemie und der Physik. Die Chemie löste zur damaligen Zeit die Alchemie, die lange davor existierte hatte, ab. Ein neues Weltbild wurde geschaffen: Heliozentrisches Weltbild (Sonne ist Mittelpunkt; Sterne bewegen sich nicht), Keplerschen Gesetze (Bahnen der Planeten) und Newtons Gravitationsgesetz (Erklärung der Weltbilder.)

Stilkunde – Renaissancegotik oder auch Nachgotik

Kunsthandel Helmrich, Stilkunde, verfasst am 29.11.2010

Die dritte Tendenz ist die Weiterverwendung gotischer Motive, die im Gegensatz zu den antiken Formen als modern empfunden werden und gerne zur Kennzeichnung von Kirchengebäuden verwendet werden. Ein Beispiel ist die Kirche St. Mariä Himmelfahrt (Köln).

Auf der Seite der Architekturtheorie findet sich erstere Tendenz im Architekturtraktat wieder, letztere im Musterbuch. Generell kann gesagt werden, dass, je stärker eine Kultur das Mittelalter nicht als Kulturverfall und als Gegensatz zur Antike empfand, desto mehr wurde die zweite und dritte Tendenz bevorzugt. Das gilt vor allem im mittel-und im nordeuropäischen Raum, wo die Baukunst der Nordischen Renaissance völlig andere Formen erreichte.

In Frankreich war die klassische antikisierende Strenge der Hochrenaissance gegen 1550 eingeholt (vgl. Westflügel des Louvre 1550–1558 durch Pierre Lescot), daneben gab es noch zahlreiche Kirchenbaustellen, auf denen noch mit gotischen Motiven gebaut wurde. Auf der iberischen Halbinsel bilden beide Tendenzen ein Nebeneinander, das sich bis in die Barockzeit fortsetzt. Im germanischen Europa und Polen kam es teilweise zu einer Vermischung beider Tendenzen (z. B. Heidelberger Schloss oder das Wawel-Schloss in Krakau), jedoch blieb die analogische Form der Renaissance bis zum Schluss dominant.