Stilkunde – Renaissancegotik oder auch Nachgotik

Kunsthandel Helmrich, Stilkunde, verfasst am 29.11.2010

Die dritte Tendenz ist die Weiterverwendung gotischer Motive, die im Gegensatz zu den antiken Formen als modern empfunden werden und gerne zur Kennzeichnung von Kirchengebäuden verwendet werden. Ein Beispiel ist die Kirche St. Mariä Himmelfahrt (Köln).

Auf der Seite der Architekturtheorie findet sich erstere Tendenz im Architekturtraktat wieder, letztere im Musterbuch. Generell kann gesagt werden, dass, je stärker eine Kultur das Mittelalter nicht als Kulturverfall und als Gegensatz zur Antike empfand, desto mehr wurde die zweite und dritte Tendenz bevorzugt. Das gilt vor allem im mittel-und im nordeuropäischen Raum, wo die Baukunst der Nordischen Renaissance völlig andere Formen erreichte.

In Frankreich war die klassische antikisierende Strenge der Hochrenaissance gegen 1550 eingeholt (vgl. Westflügel des Louvre 1550–1558 durch Pierre Lescot), daneben gab es noch zahlreiche Kirchenbaustellen, auf denen noch mit gotischen Motiven gebaut wurde. Auf der iberischen Halbinsel bilden beide Tendenzen ein Nebeneinander, das sich bis in die Barockzeit fortsetzt. Im germanischen Europa und Polen kam es teilweise zu einer Vermischung beider Tendenzen (z. B. Heidelberger Schloss oder das Wawel-Schloss in Krakau), jedoch blieb die analogische Form der Renaissance bis zum Schluss dominant.